Samstag, 30. August 2025
Schallerhof, Raffeingasse, Lana

3. Literaturtag Lana mit Ludwig Hartinger, Aleš Šteger und Jure Tori, Anja Zag Golob, Miruna Vlada, Ernest Wichner, Theresia Prammer, Gian Mario Villalta und Eduardo Zuccato und DJ Veloziped

11.00: Ludwig Hartinger: Srečko Kosovel: „Mein Gedicht ist mein Gesicht“ (Aus dem Slowenischen von Ludwig Hartinger, Otto Müller Verlag, 2023)

12.00: Aleš Šteger und Jure Tori (Akkordeon): „Atemprotokolle“ (Wallstein Verlag 2023)

17.00: Anja Zag Golob: „dass nicht“ (Aus dem Slowenischen von Liza Linde, Edition Korrespondenzen, 2022) und andere Gedichte auf Deutsch

18.00: Miruna Vlada (Rumänien): „Bosnia. Partaj“ („Bosnien. Gütertrennung“).
Lesung und Gespräch mit Ernest Wichner

19.30: „Die Macht der Maulwürfe. Dichtung in italienischen Varietäten.“
Mit Theresia Prammer, Gian Mario Villalta und Eduardo Zuccato

Anschließendes Fest mit DJ Veloziped

Ludwig Hartinger © Miriam Laznia

11.00: Ludwig Hartinger: Srečko Kosovel: „Mein Gedicht ist mein Gesicht“ (Aus dem Slowenischen von Ludwig Hartinger, Otto Müller Verlag, 2023)


„Mein Gedicht ist mein Gesicht“ eröffnet ein lesendes Wandern in Wortlandschaften eines dichterischen Werks, das einzigartig in seiner Tiefe, Vielfalt und Ausstrahlung bis ins Heute wirkt. Srečko Kosovel, geprägt vom kontrastreichen slowenischen Karst oberhalb von Triest, suchte eine Synthese, in der Naturerleben, existenzielle Erfahrung (Krankheit, Todesahnung) und gesellschaftliche Umbrüche (Krieg, faschistische Okkupation), künstlerische Aufbrüche in neue literarische Formen (Montage, Verfremdung) zusammenfließen und aufgehen – im komplexen Gedicht. Kosovels Poesie wirkt vom zerrissenen Anfang des vorigen Jahrhunderts in das zunehmend dramatisierte neue. Im handschriftlichen Nachlass erwandert, ist das Buch eine Auswahl von Gedichten, Prosa-, Essayfragmenten, Auszügen aus Notizbüchern, Briefen samt Federzeichnungen und Holzschnitten.

12.00: Aleš Šteger und Jure Tori (Akkordeon): „Atemprotokolle“ (Wallstein Verlag 2023)

Die Gedichte aus dem deutschen Lyrikband „Über dem Himmel unter der Erde (Hanser, 2019) und Atemprotokolle (Wallstein, 2023) von Aleš Šteger sind geprägt von hervorstechender Musikalität und Interpretationsweite. Der slowenische Lyriker, der die wunderbaren Übersetzungen seiner Gedichte selber auf Deutsch vorträgt, hat sich mit dem Akkordeonspieler und Komponisten Jure Tori zusammengetan.
Entstanden ist eine einzigartige Mischung aus Musik und Text, ein auf eindringlichen Kompositionen, lakonisch unterhaltsamen Texten und energiegeladener Performance basierendes Ereignis, das Himmlisches und Erdiges vereint

Ales Steger und Tore Turi © Matej Pušnik-

17.00: Anja Zag Golob: „dass nicht“ (Aus dem Slowenischen von Liza Linde, Edition Korrespondenzen, 2022) und andere Gedichte auf Deutsch.

Anja Zag Golobs Gedichte sind immer wieder eine intensive Auseinandersetzung mit dem Liebesschmerz. Darin die Leere und Ungewissheit, Trauer und das Gefühl von Verletzung. Vorab steht ein Zyklus über die sechs Sinnesorgane, wodurch Golob den fünf bekannten noch einen sechsten Sinn hinzufügt, der die vorangehenden vereint als eine Art Sammelplatz der emotionalen Zustände und der, anders als die andern Sinne, lange nachschiebt. In ihren Gedichten zeichnet Anja Zag Golob nicht nur die Liebesschmerzen und deren stumpfe Körperlichkeit präzise nach, sondern macht dank ihrer Sprach- und Gestaltungskraft den Schmerz und seine verschiedenen Stadien fast physisch erfahrbar: durch harte Schnitte, zerrissene Verse, willkürlich getrennte Worte, insistierende Wortwiederholungen und in Klang- und Rhythmusvariationen.

AZG_foto Boštjan Lah_1

18.00: Miruna Vlada und die Rückkehr des politischen Gedichts

Als im Jahr 2014 Miruna Vladas Gedichtband „Bosnia. Partaj“ („Bosnien. Gütertrennung“) in Bukarest erschien, konstatierte die rumänische Literaturkritik die Wiederkehr (mancherorts auch die Auferstehung) des politischen Gedichts. Denn die studierte, mittlerweile auch habilitierte Politikwissenschaftlerin und Dichterin hatte in ihrem dritten Gedichtband ihre beiden Disziplinen zusammengedacht und auf sehr überzeugende Weise vorgeführt, wie mit scharfem politischen Verstand einfühlsam und empathisch gedichtet werden kann. Dabei hat sie wie nebenbei die tradierten Vorstellungen davon, wie ein Gedichtband auszusehen hat, erweitert zur Großcollage. Denn der Band enthält anrührende Portrait- und Schicksalsgedichte über die Erfahrungen von Frauen im Bosnien-Krieg, er zitiert Texte zum Thema des Krieges von anderen Autorinnen und Autoren, Zitate aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch, die das Eherecht betreffen, insbesondere die Gütertrennungsregelungen bei Scheidungen werden eingefügt, es gibt erklärende Fußnoten und montierte Facebook-Diskussionen. All diese scheinbar weit auseinanderstrebenden Elemente verbinden sich zu einem Gedichtband, der „sich liest, als wäre er heute geschrieben oder sogar morgen“ (Katharina Raabe). 
Ernest Wichner hat den Band übersetzt, er liest zusammen mit Miruna Vlada daraus und spricht mit der Autorin.

Miruna Vlada

19.30: Die Macht der Maulwürfe: Dichtung in italienischen Varietäten.
Mit Theresia Prammer, Gian Mario Villalta und Eduardo Zuccato

Und ihm war, als wäre der ganze Garten, 
In die Macht der Maulwürfe geraten.
(Tonino Guerra)

„L’altra letteratura“, nennt der Kritiker und Herausgeber Franco Brevini die von ihm in bedeutenden Editionen gewürdigten italienischen Dichtungen, die abseits des nationalsprachlichen Kanons von den Rändern her entstanden sind. Nach Nöten rebellisch, allemal unbeirrt resistent gegen sprachliche Purismen, setzten Dichter wie Tonino Guerra oder Giacomo Noventa der petrarkistisch geprägten nationalen Einheitssprache „die Macht der Maulwürfe“ (T. Guerra) entgegen, während bei Autoren wie Franco Loi oder Raffello Baldini das chorisch-karnevaleske Element überwiegt. Von den genuin lyrischen Stimmen (Franco Scataglini) zu den großen „Erzählern“, von den Realisten über die Satiriker bis zu den Avantgardisten, zeigt sich der Dialekt in Italien als hochspezialisierte Klaviatur mit vielen stilistischen Registern. Aber wer waren die Protagonisten der „poesia dialettale“ und welcher Zukunft steht ihr bevor? Täglich, befand schon der 1997 verstorbene Sizilianer Ignazio Buttitta, verliert die Gitarre des Dialekts eine Saite. Über den Dialekt als Gedächtnisspeicher und „langue mineure“, als Nähesprache und hyperliterarischer Code, als Seelen-Nahrung und poetisch-poetologisches Labor spricht Theresia Prammer mit den Dichtern und Literaturwissenschaftlern Gian Mario Villalta (Veneto) und Edoardo Zuccato (Lombardei), beide ihrerseits mit Dialektgedichten hervorgetreten. Den Hauptteil des Abends bildet eine eigens für den Anlass gestaltete Lesung mit italienischer Dialektlyrik des 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts.

Theresia Prammer
Edoardo Zuccato © privat
Gian Mario Villalta
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