22. Februar 2019, 18.30 Uhr
Gasthaus Reichhalter

Er gehört zur Tradition der Bücherwürmer von Lana und blickt auf Literaturen, die in ihrer Haltung und Ästhetik in einer Nähe zu N.C. Kaser stehen: Seit 30 Jahren ehrt der nach dem Südtiroler Dichter benannte Lyrikpreis zeitgenössische Dichtung von trotzigem Temperament und poetischer Originalität, die nicht artistisch beschlagen, sondern phantastisch belebt und ungesichert bewegt ist. So wurden u.a. Bert Papenfuß und Gundi Feyrer ausgezeichnet, der Tschuwache Gennadji Ajgj oder Elke Erb aus Berlin, die Schwedin Aase Berg oder der Norweger Oevind Rimbereid, Tom Leonard aus Schottland und Trevor Joyce aus England. In diesem Jahr geht der mit 10.000 € dotierte Preis an den Dichter Eckhard Rhode aus Hamburg.

Farhad Showghi, jüngster Peter-Huchel-Preisträger, erhielt 2006 den Lyrik-Preis von Lana und hat nun Eckhard Rhode für die aktuelle Ausgabe nominiert. Er wird über seinen Dichterkollegen sprechen, der allein durch die Referenzen, denen er als Dichter und Schauspieler die Ehre gibt, seine poetische Herkunft ausweist: Mit Rolf Dieter Brinkmann, Reinhard Priessnitz oder Franz Kaltenbeck teilt er das experimentelle Arbeiten am Sprachmaterial, dessen existenziellen und symbolischen Abraum er mit analytischem Interesse abzuschöpfen weiß und für eine feinste Unterscheidung der Wahrnehmung fruchtbar macht.

Ursula Ganahl-Flora, die die Bücherwürmer seit Jahrzehnten unterstützt, übergibt im schönen Gasthaus Reichhalter den Preis.

Musik von Helga Plankensteiner und Michl Lösch.

Um Anmeldung für die Lesung mit anschließendem Fingerfood (15,00 €) wird gebeten.

1
im fleisch geschrieben ins fleisch geschrieben
fleisch schreibt die schleife des fleisches,
das feilschen, das falsche fleisch
die flasche

schleif den schlaf
die falsche flasche,
den falschen schlaf
falsch geschliffen

gibs auf gibs drauf gib auf
das schlaffe fleisch,
die schleife schlaf

im schlaf geschrieben ins fleisch
geschliffen die schleife der flasche,
schlaf, drauf gibs auf geschrieben aus

gips auf gips geschrieben aufs fleisch
der flasche, aus schlaf flaschen, auf der
schleife des fleisches drauf, aus,

alles feilschen falsch fälschen
alles falsch.
(nach Reinhard Priessnitz)

 

2
oder weder entwenden die verben sich dem sagen den sätzen dem teilen
den rest
(nach Ernst Meister)

 

3
erde rede rohbrand
dem herbstrot anzu passen fassen wortwärts eins
aufs schlimmste diesem zu entgegnen entgegen
das fleisch roherber hinkend
grober schliff dann
die zensur zwei einzufallen durch die grenze
schnitt den rändern die buchstaben rahmen
(für r.d.b.)

 

4
fischköpfe auf grund
seefraß derselbe über-
all privateigentum, stech-
palme und windwärts
leuchtturm, atmen durch
ankommen, seeschwappen
gischtweißes glasgrün,
sprünge von steinen von
sprüngen von steinen,
namenlos und vielzitiert der
turm, leuchtend ihr cape
bullock harbour unter regen,
dalkey und dublin wie freude,
genuß torfbraun der
schaum, schamlos ohne
kleidung das lachen harfen-
schwarz mit goldrand

 

5
wowirbel

sichtbarer

sonnenfuß

sprung

krixel flitzen

 

6
entlang

den strichen

den brüchen

der losigkeit

schlingern,

 

dem schlimmsten

entgegen das

schlimmste

entgegnen

 

7
trotta, die linie

unterbrachen

verletzungen, aus papier

geschosse, jenseits

der gesetze das

widersprach dir,

trottel, tölpel,

summa cum blauer

lehm

 

8
nix nix nix

wovon sich schreiben lässt

eher wenig

leicht oder schwer

wer er war

mein oder dein

erste analytik schweigen

sein oder haben

leben oder sterben

kommen und zahlen

der preis

priessnitz priessnitz

nicht nichts

nichts nicht

wovon sich sprechen lässt

am rand

jenseits des

datums
(für Franz Kaltenbeck) 

 

 

Eckhard Rhode

Nach dem Vorschlag von Farhad Showghi, N.C. Kaser-Lyrikpreisträger von 2006, wird der Preis der Bücherwürmer in seiner 15. Ausgabe dem Hamburger Dichter, Schauspieler und Gastronom Eckhard Rhode zugesprochen. Die Feier findet am 22. Februar 2019 im Gasthaus Reichhalter von Lana statt, wo Farhad Showghi die Laudatio halten und Ursula Ganahl-Flora den Preis übergeben wird.

Eckhard Rhode gehört einer literarischen Tradition an, die in experimenteller Phantasie Sprachtheorie und Psychoanalyse zum Einsatz bringt, um daraus poetisch Funken zu schlagen.  In der Auseinandersetzung mit Rolf Dieter Brinkmann, Reinhard Priessnitz oder Franz Kaltenbeck schärft Eckhard Rhode sein dichterisches Instrumentarium und beschwört damit die sprachliche Fähigkeit der Unterscheidung. In Bewegungen der Verschiebung und Übertragung, der Versagung oder Verkehrung, der Entstellung und Aufhebung schleust er die poetische Rede in verzweigte Verweise und führt sie am Ende in die fein gezeichnete Darstellung von Wahrnehmung und Erfahrung. Im Rahmen der Preisverleihung wird Eckhard Rhode in Lana seine Lyrik vorstellen und nicht zuletzt eine Annäherung an N. C Kaser unternehmen.

Eckhard Rhode, 1959 in Oldenburg i.O. geboren, lebt und arbeitet als Schriftsteller, Schauspieler und Gastronom in Hamburg. Veröffentlichung von Gedichten, Texten und Aufsätzen zur Literatur. Zuletzt: „Eckhard Rhode : Vom Zeichnen sprechen – Hans Thalgott : Zeichnungen“, Hamburg 2015; „akt“, Ostheim/Rhön 2014; „bruchstellen“, Ostheim/Rhön 2010. Filme: u.a.: „Brinkmanns Zorn“ von Harald Bergmann, Berlin 2003/2007. Ausgezeichnet mit dem Adolph Grimme Preis 2009; „Miscellanea I – VII“ von Heinz Emigholz, 1986/2010.

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