Ein neu erschienener Werkstattband zur Göttlichen Komödie von Dante bietet ein frisches und literarisch höchst spannendes Panoptikum der deutschen Übersetzung, klug und originell geleitet von Theresia Prammer. Literatur Lana und ZeLT stellen das Projekt in Brixen vor: Mit Theresia Prammer, Olga Martynova, Ferdinand Schmatz und Roberto Galaverni.
Das dichterische Werk ist so reich und überwältigend, wie es im Umfang seine Rezeption in literarischer und künstlerischer Übersetzung ist: die Divina Commedia von Dante. An Phantasie, Wissen und Schöpfungskraft einmalig, übte das Epos der Weltliteratur über Jahrhunderte hinweg eine unermessliche Faszination aus und gab Anstoß zur Lektüre, Deutung und Vermittlung, sodass die Lectura Dantis in der Tat eine eigene Tradition und Teil des Werks geworden ist.
Einen unerschrockenen Versuch der Lektüre hat die Übersetzerin und Essayistin Theresia Prammer unternommen. Das Resultat liegt nun mit dem Band „Lectura Dantis“ (Edition Urs Engeler) vor, dessen sinniger Titel einerseits Bezug auf eben die geschichtsträchtige Kulturtechnik der Dante-Rezeption nimmt. Andererseits greift die Herausgeberin und Initiatorin des Projekts zu einer durchaus unkonventionellen Lektüre und rückt den poetischen Akt der Übersetzung sowie das Gespräch über die Dichtung in den Mittelpunkt.
Von den insgesamt 100 Gesängen, die das Jenseits von Inferno, Paradiso und Purgatorio besingen, hat Theresia Prammer 36 canti ausgewählt und 36 deutschsprachige Dichter*innen zu deren Übersetzung eingeladen. Das Ergebnis ist facettenreich und überraschend. Es zeigt traditionelle Lesarten ebenso wie experimentelle, philologische, reflexive oder solche, die den eigenen Prozess des Lesens und Denkens quasi laut mitdenken. So bietet das Buch ein lebendiges dichterisches Erlebnis, das zeigt, wie bewegend die Commedia über alle Zeiten hinweg wirkt und zu welch vielfältiger Auseinandersetzung sie reizt.
In Brixen stellt Theresia Prammer ihr Projekt mit zwei ihrer Mitstreiter*innen vor. Ferdinand Schmatz aus Österreich wirft alle sprachartistische Lust auf, wenn er sich dem Geryon-Gesang widmet, während die russisch-deutsche Dichterin Olga Martynova auf Mandelstam rekurriert, dem es undenkbar scheint, „Dantes Gesänge zu lesen, ohne sie in Gegenwart zu verwandeln.“
Aus dem sprachgewaltigen Original aber liest der Literaturkritiker Roberto Galaverni und bringt 704 Jahre nach Dantes Tod dessen Verse in die Mauern von Brixen.
Eine Veranstaltung von ZeLT und Literatur Lana.