29. März 2018, 19.00 Uhr
Hofmannplatz 2, Lana

Wortgewaltig und erfindungsreich treiben sie die deutsche Poesie der Gegenwart voran: Bei Oswald Egger und Durs Grünbein ist das Gedicht immer sprachlicher Erkenntnisraum. In einer virtuosen Fülle an Stimmen und Quellen, an Fragmenten und Referenzen spielen sie die Möglichkeiten eines umfassenden Wissens mit allen Mitteln der Wirkung und Wahrnehmung aus. Nichts ist nicht fundiert durchwirkt und überprüft in der Reflexion von Sprache. Nichts ist nicht gedacht oder nichts nicht erdacht.

 

Der Vergleich der beiden Temperamente ist schwierig und weitgehend gar nicht anzustellen. Aber man darf gespannt darauf sein, diese unterschiedlichen literarischen Positionen nebeneinanderstehen und was sich zwei Dichter, die an den archäologischen Problem- und Spannungsfeldern des Gedichts arbeiten und darin einander beobachten, zu sagen haben. Das will der Abend in Lana mit einer Doppellesung tun. Oswald Egger und Durs Grünbein stellen ihre letzten Bücher vor, wobei der eine je darüber spricht, wie er das Werk des anderen liest.

 

OSWALD EGGER: „Val di Non“ (Suhrkamp Verlag 2017)

Ist es möglich, einen Berg zu denken, zu dem das Tal fehlt? Wenn man sich Gott und die Welt vorstellen kann, kann man sich z. B. nicht Gott ohne die Welt vorstellen: Was einem vorschwebt, von A bis Z, erscheint oft realer als das, was vor Augen bloß irritiert.

Einmal waren Berge Berge, die Täler waren Täler. Nachdem es mehr Dinge zwischen Grund und Grat gibt, als wir träumen können, sind Berge weder Berge noch Abgründe Abgründe: Was einem blüht, mag zugleich auch blühendes Tal sein. In aller Stille rufen Laute einander auf und zu, kaum wahrnehmbar noch, tief von innen und unten. Nachtwach, in Sprache, schwellen die Intervalle an, stets fügt sich eine zweite Stimme zur ersten, dann noch eine, und dann noch und noch: wie ein Echo das Offene durch Wiederholung der Beschränkung auskostet, aber auf immer weniger Wirklichkeit trifft.

In Oswald Eggers Val di Non wird man fabelhaft wandern oder einfach nur spazieren gehen. Ein Buch, reich bebildert und illustriert mit zig Einstiegen und auch Verstiegenheiten, mit stillen Verstolperungen hinein in eine unfassbare Fundlandschaft aus Wunderbarem: Wie das wohl sein wird – gelebt zu haben, ohne gewesen zu sein.

„Ich singe, also bin ich, singe ich.“

 

DURS GRÜNBEIN: Zündkerzen (Suhrkamp Verlag, 2017)

Zündkerzen ist eine Sammlung von 83 Gedichten in den unterschiedlichsten Formen, variierend in kurzen und langen Zeilen. Es sind Traumstücke, Redepartikel, Prosagedichte, zerbrochene Sonette, Sequenzen wie aus Unfallprotokollen. Jedes dieser Stücke entzündet sein eigenes Leuchten, seine kleine oder größere Epiphanie. Hier schreibt ein Dichter, der keiner Schule angehört, keiner modischen Strömung – ein Beobachter des Realen, neugierig auf die diesseitigen Dinge, hellwach für ihr Verschwinden.

Zwei Langgedichte ziehen mächtige Stützpfeiler in die Struktur der Sammlung – reine Anschauung einer südlichen Metropole: Das Photopoem, Elegie vom musealen Leben: Die Massive des Schlafs. Es gibt Liebesgedichte, erotisch direkt, ebenso wie Momente der Verlusterfahrung als Demontage der Sonettform. Ein Gedichtzyklus über die Pinie nähert sich reiner Lautmusik und wird zum Verbarium, in dem die Buchstaben tanzen.

„Oder war das ein Traum? Was fiel dir ein,

Ein ganzes Leben auf Worte zu bauen?“

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