17. Mai 2010

Tomas Venclova, der als der bedeutendste Lyriker Litauens gilt, aber auch als Übersetzer, Publizist und Literaturkritiker hervorgetreten ist, wurde 1937 in Klaipeda (Litauen) geboren. Nach dem Studium der Lituanistik und russischen Literatur in Vilnius war er Lehrbeauftragter für Literaturgeschichte und Semiotik in Vilnius. Von 1961 bis 1965 lebte Tomas Vencloca in Moskau und von 1969 bis 1972 Leningrad. In dieser Zeit hielt er sich in Literatur-Dissidenten-Kreisen  und engagierte sich in der Bürgerrechtsbewegung, es entstanden aber auch die Freundschaften mit Joseph Brodsky, Alexander Ginzburg und Anna Achmatowa. Durch die Vermittlung von Czeslaw Milosz konnte er 1977 Litauen verlassen und eine Dozentur an der University of Berkeley antreten. Während seines Aufenthalts in Berkeley wurde ihm die sowjetische Staatsbürgerschaft aberkannt, und er erhielt politisches Asyl in den USA. Nach Lehraufträgen in Berkeley und Los Angeles unterrichtete Venclova seit 1980 slawische Literatur in Yale, seit 1993 als Professor. Er übersetzte Anna Achmatowa, Boris Pasternak, Joseph Brodsky, Ossip Mandelstam u.a. Seine Gedichte, für die Tomas Venclova mit internationalen Preisen geehrt wurde, sind in fast alle osteuropäischen Sprachen übersetzt worden.

 

Das Werk von Tomas Venclova entstand zum größten Teil im amerikanischen Exil. Venclovas Übersetzer, der Autor und Essayist Durs Grünbein bezeichnet dessen Gedichte begeistert als „das Unzeitgemäßeste, was die zeitgenössische europäische Poesie zu bieten hat“ und Thomas Kling bezeichnete ihn als den „Odysseus vom Mare Baltikum“.

Venclova setzt sich in seinem Schaffen mit der verlorenen Heimat auseinander, zudem mit den Naturbildern der Landschaft und der Sprache, die ihm die Möglichkeiten zu einer bedeutenden und in ihrer Tiefe betörenden Lyrik verschafft.

Tomas Venclova äußert sich immer wieder auch zu den politischen Entwicklungen seines Landes und zu Fragen Europas, etwa wie kürzlich, als er erklärt, warum er die litauische Gesellschaft für rückwärtsgewandt hält. „Ich fürchte immer noch das Problem, das schon zu sowjetischen Zeiten bestand. Man hat nämlich auch heute Angst vor der öffentlichen Meinung: ‚Was wird Herr X sagen? Verliere ich mein Ansehen? Auch wenn ich ein Intellektueller bin, unterscheide ich mich etwa von der Mehrheit?‘

 

In Deutsch zuletzt: „Vor der Tür das Ende der Welt. Gedichte“ (Rospo 2000 / Hanser Verlag 2002); „Ich meine, dass… – Gespräche mit Tomas Venclova.“ (Verlag Baltos Lankos, 2000); „Gespräche zur Zukunft der Erinnerung“ (Dokumentation einer Veranstaltung des Goethe Institut Vilnius, mit Günter Grass, Czeslaw Milosz, Wislawa Szymborska. Steidl Verlag, 2001); „Stadtführer Vilnius“ (R. Paknio Verlag, 2002); „Vilnius, eine Stadt in Europa“ (Edition Suhrkamp 2006); „Gespräch im Winter“ (Suhrkamp Verlag 2007).

„Venclovas Lied beginnt dort, wo die Stimme sonst gewöhnlich abbricht, sich verausgabt hat und wo alle seelischen Kräfte erschöpft sind.“ (Joseph Brodsky)

Man wird lange suchen müssen in den Weiten Osteuropas, um eine auch nur annähernd so abgeklärte Stimme zu finden, eine Stimme von so lakonischer Schwere, so unerschütterlicher Gefasstheit.“ Durs Grünbein

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